NATURGEFAHREN BAYERN

Strategien zum Schutz vor Naturgefahren

Seit jeher haben Menschen versucht, sich vor den teilweise Existenz bedrohenden Naturgefahren zu schützen. Vielfach war eine geordnete Siedlungsentwicklung und Entwicklung der Wirtschaft überhaupt erst nach Realisierung von Schutzmaßnahmen möglich.

Die Aufrechterhaltung des erreichten Schutzniveaus, die Anpassungen an den KIimawandel und die Behebung der noch vorhandenen Defizite stellen eine gewaltige finanzielle und personelle Herausforderung dar. Naturgefahrenmanagement bedeutet heute nicht mehr nur Prävention und Bewältigung von Naturkatastrophen, sondern auch Lebensräume so zu entwickeln, dass sich in ihnen flexibel und tolerant extreme Ereignisse bewältigen lassen und sie sich rasch von diesen erholen.

Im Einklang mit den Empfehlungen der Plattform Naturgefahren der Alpenkonvention wird in Bayern der eingeschlagenen Weg „von einer reinen Gefahrenabwehr hin zu einem integralen Risikomanagement“ konsequent weiter beschritten. In diesem Zusammenhang gewinnt neben der klassischen Schutzverbauung die Betrachtung des Restrisikos, die Raumplanung, die Anpassung an den Klimawandel und der Risikodialog mit allen Betroffenen eine hohe Bedeutung.

Methodisches Vorgehen bei der Strategieentwicklung: Das Risikokonzept

Steinschlag, Hochwasser, Muren, Rutschungen sind natürliche Prozesse. In ihrem Wirkbereich können Sie für Mensch, Umwelt oder Sachgüter eine Gefahr darstellen, müssen aber nicht. Erst wenn schadensanfällige Nutzungen (z.B. Bebauung) in das Gefahrengebiet vordringen, entsteht ein Risiko. Dies wird im Bild illustriert: Ein Haus steht nahe einer Felswand, von der sich Gestein löst und zu Boden fällt. Farblich markiert der Gefahrenbereich, der Bereich der Schadensanfälligkeit und der Risikobereich.Für einen effektiven Schutz der Menschen und der menschlichen Tätigkeiten vor Naturgefahren braucht es ein ganzheitliches und methodisches Vorgehen. Mit dem Risikokonzept steht ein modernes Modell für die Analyse und Bewertung anspruchsvoller Sicherheitsprobleme und der sich daraus ergebenden Entwicklung von Schutzkonzepten zur Verfügung. Es stellt das Risiko (vgl. Abbildung) in den Mittelpunkt, das heißt die Wahrscheinlichkeit eines gefährlichen Ereignisses und den daraus zu erwartenden Schaden an gefährdeten Lebewesen und Objekten. Nur über eine solche Risikobetrachtung können unterschiedliche Risiken aus den Bereichen Naturgefahren, Technik, Wirtschaft, Gesellschaft oder Ökologie auch verglichen und bewertet werden.

Die Grafik stellt den Ablauf des Risikokonzepts dar. Die Basis bilden Risikoanalyse und Risikobewertung auf denen das Risikomanagement aufbaut.Das Risikokonzept umfasst drei Hauptbausteine:

  • Die Risikoanalyse beginnt mit der Ermittlung der Gefahren und der möglichen Schäden und schließt mit der eigentlichen Risikoermittlung ab. Sie beantwortet somit die Frage „Was kann passieren?“
  • In der Risikobewertung wird überprüft, ob die ermittelten Risiken von einzelnen Personen bzw. aus Sicht der Gesellschaft akzeptiert werden. Ggf. werden Schutzziele festgelegt. Sie beantwortet somit die Frage „Was darf passieren?“
  • In der Maßnahmenplanung werden alle denkbaren Möglichkeiten zur Reduktion der Risiken geprüft und hinsichtlich ihrer Verhältnismäßigkeit bewertet. Hierbei sollen alle Elemente eines integralen Risikomanagements (Siehe unten) betrachtet werden. Es wird die Frage beantwortet „Was kann man tun?“

Im Sinne einer gelebten Risikokultur ermöglicht dieses Risikokonzept einen einheitlichen Umgang mit den verschiedenen Naturgefahren

Integrales Risikomanagement

In einem Kreislauf werden die drei Handlungsfeldern des Hochwasserrisikomanagements zusammen mit dazugehörigen Maßnahmen dargestellt: Vor dem Hochwasserereignis die Vorsorge, beim Hochwasserereignis die Bewältigung und nach dem Hochwasserereignis die Nachsorge, welche wiederum in die Hochwasservorsorge hineinwirkt.Dort wo nach dem Risikokonzept Schutzkonzepte erforderlich werden, sind zahlreiche Disziplinen und Beteiligte gefragt, um eine optimales Bündel von sich ergänzenden Maßnahmen zu entwickeln. Nur so lassen sich wirtschaftlich, ökologisch und sozial ausgewogene und damit nachhaltige Schutzkonzepte erreichen. Dabei müssen auch die unterschiedlichen Phasen im Naturgefahrenkreislauf betrachtet werden:

  • die Bewältigung eines akuten Ereignisses mit dem Ziel, das Ausmaß und die Dauer des Ereignisses zu begrenzen, z.B. durch Alarmierung, Rettung und Opferbetreuung
  • die Nachsorge bzw. Regeneration, in welcher der Wiederaufbau von Gebäuden und Infrastruktur sowie die vertiefte Analyse der Ereignisse im Mittelpunkt stehen um die Lehren aus dem Ereignis zu ziehen, richtig umzusetzen und in künftige Planung einzufügen.
  • In der Phase der Vorsorge soll die Verminderung der Verletzlichkeit von Menschen und Sachwerten gegenüber Naturgefahren erreicht werden. Dabei zielt die Vorbeugung auf eine Vermeidung von Schäden durch angepasste Raumnutzung und Schutzmaßnahmen, die Vorbereitung auf Maßnahmen, welche die künftige Bewältigung verbessern bzw. erleichtern.

Ein Haus steht nahe einer Felswand, von der sich Gestein löst und zu Boden fällt. Schutzmaßnahmen in der Felswand (z.B. Steinschlagverbauung) reduzieren den Gefahrenbereich. Schutzmaßnahmen am Haus (z.B. Verstärkung der Wände) reduzieren die Schadensanfälligkeit. Dadurch wird auch der Überschneidungsbereich aus Gefahr und Schadensanfälligkeit reduziert: das Risiko sinkt, aber es verbleibt ein Restrisiko.Im integralen Risikomanagement kommt neben den Experten und Behörden insbesondere auch den Bürgern und Gemeinden eine ganz wichtige Rolle zu. Zunächst müssen diese über die möglichen Gefahren informiert sein und diese Bedrohung auch akzeptieren und annehmen: ein Risikobewusstsein ist nötig.

Die Maßnahmen der Vorbeugung zielen zum einen auf die Reduktion der Gefährdung, z.B. durch aktive Schutzmaßnahmen, und zum anderen auf eine Reduktion der Schadensanfälligkeit, z.B. durch Freihalten gefährdeter Flächen von anfälligen Nutzungen oder durch Objektschutz. Auch nach Realisierung der Schutzmaßnahmen verbleibt ein Restrisiko, das nicht beherrscht werden kann, aber ggf. durch zusätzliche Maßnahmen, v.a. der Vorbereitung noch reduziert werden kann.

RISIKODIALOG

Eine solche Basis bildet die Voraussetzung dafür, dass durch Eigeninitiative und Vorsorge der mögliche Schaden erheblich gemindert werden kann. Dies zeigte sich deutlich an den zwei großen Hochwassern im Rhein in den Jahren 1993 und 1995 oder in Bayern 1999 und 2005: Beim 2. Ereignis lag der Schaden etwa um die Hälfte niedriger als beim ersten Mal. Es war noch frisch im Gedächtnis, was passieren würde und wie man sich besser schützen kann. Andererseits können auch die Fachleute von den Bürgern viel lernen. Diese kennen ihr Gebiet am Besten und haben vielleicht auch das Wissen über frühere Ereignisse.

Ein offener und intensiver Risikodialog ist daher ein ganz wesentliches Element des integralen Risikomanagements und zwar in allen Phasen. Die Herausforderungen des integralen Risikomanagements lassen sich nur in einer offenen Diskussion zwischen allen Disziplinen und mit den betroffenen Bürgern erreichen. Der Risikodialog verfolgt somit folgende Hauptziele:

  • Schaffung eines Risikobewusstseins bei Gemeinden und Betroffenen als Basis für Eigenvorsorge
  • Austausch von Wissen und Erfahrungen der beteiligten Fachleute und Experten
  • Integrale Schutzkonzepte mit Elementen aus allen Phasen und Disziplinen

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